Michael Mondria ist als Leiter der Ars Electronica Solutions stets auf dem neuesten Stand, was die Digitalisierung betrifft. Die Nutzung von digitalen Darstellungsmöglichkeiten in Ausstellungen und auch auf Messen, ist seine tägliche Arbeit. Im Interview mit der Perfect Welding Redaktion spricht er über die Chancen und Gefahren der Digitalisierung.
Herr Mondria, was sind aus Ihrer Sicht derzeit die wichtigsten Entwicklungen in Hinblick auf die Digitalisierung?
Digitalisierung ist ein weiter Begriff. Ich beschäftige mich vorwiegend mit den Entwicklungen in der Medientechnologie. Wirklich spannend ist hier derzeit Mixed Reality. Dabei geht es um die Zusammenführung der wirklichen und der digital erzeugten Welt. In fünf Jahren werden wir Infrastrukturen zur Verfügung haben, die die Grenzen zwischen realem und virtuellem Leben verschwinden lassen. Ein Prototyp in diesem Zusammenhang ist das Head-Mounted Display Magic Leap One.
Zukunftsweisend sind auch Entwicklungen im Bereich des Brain-Computer-Interface (BCI). Zum einen wird diese Technologie genutzt um über das Gehirn direkt mit Geräten zu interagieren. Hier ist die Medizintechnik schon sehr weit und kann beispielsweise bereits Nervenimpulse von Komapatienten überbrücken und ihnen so ermöglichen wieder zu kommunizieren – eine hoffnungsvolle Entwicklung. Zum anderen umfasst BCI auch die Interpretation von Gehirnaktivitäten und sogar die Stimulation des Gehirns – diese Bereiche werfen moralische Fragen auf.
Sie sagen also, Computer könnten bald Gedanken lesen und sogar beeinflussen. Besteht mit zunehmendem Digitalisierungsgrad nicht die Gefahr, dass der Mensch bald nur noch Objekt ist?
Ich glaube, das ist eine absolut ernstzunehmende Frage. Auch im Kontext der Arbeitswelt. 30 bis 40 Prozent der momentanen Arbeitsverhältnisse wird es so in zehn bis zwanzig Jahren nicht mehr geben. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir etwas Sinnvolles aus der Digitalisierung generieren. Es ist Fakt, dass ein Mensch Satellitenbilder, die in einer unglaublichen zeitlichen Abfolge zur Verfügung gestellt werden, nicht so schnell verarbeiten kann, wie das eine Maschine tut. Aber der Mensch ist fähig, etwas Neues zu erschaffen. Diese Voraussetzung müssen wir so nutzen, dass sie für uns Menschen dienlich ist.
Inwiefern?
Wir haben die technologischen Voraussetzungen geschaffen, dass Maschinen produzierende und analysierende Arbeiten übernehmen. Jetzt können wir Menschen uns darauf konzentrieren, unsere Welt und das Miteinander zu gestalten. Es gibt so viele Themen: Plastik im Ozean, Klimawandel, soziale Gerechtigkeit … Erstmalig in der Menschheitsgeschichte sind wir in der Lage, genügend Nahrungsmittel zu produzieren, um die gesamte Weltbevölkerung zu versorgen. Trotzdem sterben noch viele Menschen an Hunger. Warum ist das so? Wir müssen die Ressourcen, die wir haben – unsere Gehirne und unsere Kreativität – nutzen, um diese Probleme zu lösen.
Es klingt, als sähen Sie die Digitalisierung als Hebel für mehr Menschlichkeit?
Ich glaube, ja. In die richtigen Bahnen gelenkt kann die Menschheit von diesen Technologien wirklich profitieren – und zwar im Sinne der Weiterentwicklung des Miteinanders.
Über Michael Mondria
Michael Mondria ist Senior Director von Ars Electronica Solutions. Die Division innerhalb der Ars Electronica wickelt vorrangig Projekte mit interaktiven Installationen ab. Neben seinem Beruf engagiert Mondria sich für soziale Projekte: In Nepal ist er beispielsweise mit seiner privaten Organisation „Pagura Idea“ am Wiederaufbau von durch das Erdbeben 2015 zerstörten Dörfern beteiligt.
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