Lässig setzt sich Pia ihre AR-Brille auf, nimmt den Brenner in die Hand und zieht ihre Schweißnaht. Lärm, Rauch oder Hitze – Fehlanzeige. Sie erlernt das Handwerk an einem Schweißsimulator. Was vor ein paar Jahren noch nach Science-Fiction aussah, ist heute Alltag. Doch wie funktioniert virtuelles Schweißen genau? Ist die Erfahrung vergleichbar mit „echtem“ Schweißen? Ist es damit möglich, die Qualität der Schweißausbildung zu steigern und gleichzeitig Kosten zu sparen? Und vor allem: Wo liegen die Grenzen von virtuellem Training?
Sie hat die Welt verändert, fordert uns tagtäglich, mit ihr Schritt zu halten, birgt ungeahnte Chancen und hat unser Privat- sowie Arbeitsleben fest im Griff: die Digitalisierung. Die Schweißtechnik ist hier keine Ausnahme – in den letzten Jahren und Jahrzehnten hat sich in puncto Schweißausbildung so einiges getan. Schweißenlernen ist moderner geworden, die Maßstäbe wurden neu gesetzt. Digitale Tools und Apps haben Einzug gehalten, und die Ausbildung zur Schweißfachkraft ist heute einfacher und sicherer als jemals zuvor.
Schweißsimulator: Was ist das eigentlich genau?
So wie Pia erlernen mittlerweile auch andere Neulinge tagtäglich das Schweißhandwerk – virtuell am Simulator. Ein Schweißsimulator ist ein Übungsinstrument, mit dem angehende Schweißkräfte Verfahren wie WIG, MIG/MAG oder Lichtbogenhandschweißen rein virtuell auf spielerische Art und Weise trainieren. Lernende tragen dabei eine mit Extended Reality (Erweiterter Realität) ausgestattete 3‑D‑Brille und ziehen ihre Nähte an einem Übungswerkstück. Die Welt wird dabei vor den Augen der Lernenden mit digitalen Elementen angereichert und virtuelles Schweißen erscheint dadurch so real wie nie zuvor.
Am Schweißsimulator gefahrlos trainieren
Virtuelles Schweißen am Schweißsimulator bietet vor allem eines: eine sichere Umgebung. Risikofaktoren wie UV-Strahlung, hohe Temperaturen und Schweißrauch sind beim Virtual Welding kein Thema. So können sich Lernende in entspannter Atmosphäre mit dem Schweißen vertraut machen und es Schritt für Schritt trainieren – ohne dass es blitzt.
Das Prinzip ist ähnlich wie in der Luftfahrt. Auch Pilotinnen und Piloten üben an Flugsimulatoren unzählige Starts und Landungen, bevor sie ein echtes Flugzeug fliegen. Generell gilt: Je größer, teurer und gefährlicher die eingesetzten Geräte sind, desto sinnvoller ist das Training in der virtuellen Umgebung. Das gilt auch für die Schweißtechnik.
Was Schweißsimulatoren noch können
Risikolos schweißen zu lernen, ist zweifelsfrei einer der größten Vorteile von virtuellem Schweißen. Zusätzlich spart es Zeit, Kosten und Material ein. Das wars aber noch nicht: Mit Schweißsimulatoren ist es ein Leichtes, die Handfertigkeit einer Person im Einstellungsprozess zu testen oder neue Fachkräfte auf hohem Niveau auszubilden.
Hinzu kommt, dass Unternehmen Ressourcen sparen, wenn sie beim Training auf Schweißsimulatoren setzen. Egal ob in der Ausbildung an der Berufsschule oder an einem anderen Institut: Die virtuelle Unterstützung entlastet Lehrende ungemein, weiß Nikolaus Zauner, Technischer Produktmanager Perfect Welding, Fronius International: „Schweißtrainerinnen und -trainer haben in der Praxis nicht immer die Zeit, sich um mehrere Lernende gleichzeitig zu kümmern. Mit virtuellem Training können sich neue Schweißfachkräfte eigenständig einer simulierten Aufgabe widmen und sie anschließend in der Praxis durchführen. So wird das Trainingspersonal im gesamten Prozess tatkräftig vom Simulator unterstützt“, fasst Zauner zusammen und ergänzt: „Als Trainee kann ich mich ganz anders entwickeln als in der rein klassischen Schweißausbildung. Der Simulator ist immer präsent, ich bekomme Echtzeit-Feedback, kann mich selbst analysieren und mache größere Fortschritte in kürzerer Zeit.“
Warum Schweißsimulatoren immer wichtiger werden
Der Trend spricht eine klare Sprache: Die Zahl der Schweißerinnen und Schweißer nimmt ab, Industrie und Handwerk stellen seit Jahren ein sinkendes Interesse der Jugendlichen am Schweißen fest. Dabei zählen gut ausgebildete Schweißfachkräfte zur am meisten nachgefragten Berufsgruppe weltweit und sind damit ein rares Gut. Schweißsimulatoren können hier Abhilfe schaffen, denn sie wirken modern und bessern so das Image des Berufs auf.
Beim Ringen um neue Fachkräfte ist eine Prise Modernität sicherlich hilfreich, um das Berufsfeld der Schweißtechnik für so viele Jugendliche wie möglich attraktiv zu machen. Am Simulator kann man risikolos testen, ob einem das Handwerk überhaupt gefällt – für das Ausprobieren allein wäre man vermutlich beim Betreten einer „echten“ Schweißzelle zögerlicher. Simulatoren vermitteln zudem den Spaß am Lernen, und dieser ist bei der Berufswahl heutzutage ein entscheidendes Kriterium. Fakt ist: Digital Natives lernen heute anders. Der Umgang mit digitalen Tools ist für sie eine Selbstverständlichkeit, eigenständige Lernmöglichkeiten sind gefragt und der Fun‑Faktor darf nicht zu kurz kommen. Schweißsimulatoren bringen diese Voraussetzungen mit, erleichtern so den Zugang zum Handwerk Schweißen und bereiten spielerisch auf die Arbeitswelt von morgen vor.
Virtuelles Schweißen auf einem neuen Level
Der Welducation Simulator von Fronius vereint Theorie und Praxis in einem durchdachten Gesamtpaket und hebt die virtuelle Schweißausbildung auf die nächste Stufe. Lernende können sich theoretische Inhalte in der Cloud aneignen und die praktischen Einheiten am Simulator durchführen.
Eine der Besonderheiten dieses Schweißsimulators: Der gesamte Arbeitsvorgang wurde mitgedacht. „Mit dem Welducation Simulator haben wir virtuelle Schweißausbildung neu gedacht. Wir wollten sie noch realitätsgetreuer machen, nicht nur mithilfe von AR-Technologie und dem damit verbundenen verblüffend echten Schweißerlebnis, sondern auch mit der Integration von Vorbereitungs- und Zwischenschritten. Habe ich die Masse angeschlossen? Ist das Gas da? Habe ich die Parameter korrekt eingestellt? Bei der Ausbildung am Welducation Simulator wurden Schritte wie diese mitberücksichtigt, damit neue Schweißfachkräfte diese Gedankengänge von Anfang an mit in die Praxis nehmen“, gibt Zauner Einblick in den neuen Fronius Schweißsimulator. Brandneu sind auch verschiedene Schwierigkeitsstufen – so wird individualisiertem Lernen besonders viel Raum gegeben.
Ein Blick in die Zukunft des virtuellen Schweißens
Schweißsimulatoren sind gekommen, um zu bleiben. Sie haben die Schweißausbildung revolutioniert und entwickeln sich stetig weiter. „Im Prinzip ist es wie bei einer Spielkonsole. Vergleicht man die Anfangsmodelle, handelt es sich nach wie vor um dasselbe – eine Konsole bzw. im Falle von virtueller Schweißausbildung um einen Simulator. Aber die Wahrnehmung und das, was ich damit machen kann, sind etwas völlig anderes. Die Möglichkeiten, die Neuentwicklungen mit sich bringen, schienen Jahre zuvor jedes Mal aufs Neue unvorstellbar. Und immer wieder belehrt uns die Zeit eines Besseren. Die virtuelle wird die klassische Ausbildung nie gänzlich ersetzen können, aber ich bin mir sicher, dass sie sie immer weiter bereichern und stützen wird und wir hier noch sehr viel sehen werden“, ist Zauner überzeugt.
Für eine noch realitätsgetreuere Ausbildung kann er sich vorstellen, haptisches Feedback miteinzuschließen, da der Brenner beim Schweißen in der Praxis auch gelegentlich ruckelt oder der Elektrodenhalter vibriert. Auch eine Entwicklung in Richtung von 5-D hält er für möglich – Beispiele seien Gerüche oder Luftstöße. Ergonomie sollte laut Zauner ebenfalls künftig mitgedacht werden: „Schweißfachkräfte sind heutzutage kostbar. Durch eine falsche Körperhaltung bekommen sie möglicherweise irgendwann Probleme und können den Beruf nicht sehr lange ausüben. Hier könnte man in der virtuellen Ausbildung ansetzen und Schweißerinnen und Schweißer von Beginn an sensibilisieren, bestimmte Muskelgruppen zu trainieren oder auf die Haltung zu achten“, gibt der technische Produktmanager zu bedenken.
So modern, hochentwickelt und realitätsnah Schweißsimulatoren also jetzt schon sind – die Möglichkeiten sind hier noch nicht ausgeschöpft und es bleibt spannend, mit welchen Sinnen Lernende wie Pia virtuelles Schweißen in Zukunft noch erleben werden.
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