Es gleicht einem Spiel mit dem Feuer: Bis zu 20.000 Grad heißes Lichtbogenplasma, dramatische Veränderungen von einer Mikrosekunde zur nächsten – und eine gewaltige Einwirkung auf Materialien: Naturgewaltige Blitze und Lichtbögen beim Schweißen funktionieren nach denselben physikalischen Prinzipien. Die Aufgabe von Lichtbogentechnikern? Etwas von Natur aus Instabiles, Flüchtiges und Ungreifbares in etwas Beständiges und Verlässliches zu verwandeln. Kurzum: einen stabilen Lichtbogen zu entwickeln, mit dem sich schnell, komfortabel und zuverlässig schweißen lässt.
Um zu verstehen, was ein Lichtbogentechniker eigentlich macht, sollte man wissen, nach welchen Grundprinzipien Lichtbögen funktionieren. Kurz erklärt: Damit ein Lichtbogen entstehen kann, muss eine elektrische Potenzialdifferenz – sprich ein elektrisches Ungleichgewicht – zwischen zwei Punkten bestehen. An dem einen Punkt gibt es dabei einen Überschuss an Elektronen (also negativ geladenen Teilchen), an dem anderen besteht ein Elektronenmangel.
Elektronen im Plasma-Kanal
Um dieses Ungleichgewicht auszugleichen, kommt es unter gewissen Voraussetzungen zu einem Spannungsdurchschlag. Dabei wird die Luft (bzw. das Schutzgas) zwischen den beiden Punkten durch Hitze oder hohe elektrische Spannung ionisiert. Es entsteht elektrisch leitendes Plasma – Strom fließt dann zwischen den beiden Punkten durch einen Plasma-Kanal. Solange der Strom fließt, existiert auch der Lichtbogen.
Wird das Ungleichgewicht – sprich die Potenzialdifferenz – zwischen den beiden Punkten aufgehoben, erlischt der Stromfluss und mit ihm der Lichtbogen. Während bei Blitzen der Potenzialausgleich in wenigen Zehntelsekunden erfolgt, müssen beim Schweißen die Elektronen permanent durch den Plasma-Kanal fließen.
Um einiges ausführlicher beschrieben werden die Vorgänge rund um den Lichtbogen im Blog-Beitrag „Was ist ein Lichtbogen und wie funktioniert Lichtbogenschweißen“.
Lichtbogendesign: Wie sieht der optimale Lichtbogen aus?
Die grundsätzliche Frage, die sich für Lichtbogentechniker praktisch in jeder Situation stellt, ist: Wie sieht der optimale Lichtbogen aus? Eine zentrale Aufgabe von Lichtbogentechnikern ist demnach, den Lichtbogen in Schweißprozessen so zu gestalten, dass dieser auch unter widrigsten Umständen – und auch bei wenig fachgerechter Bedienung – möglichst stabil bleibt.
„Je kürzer, desto besser“ ist ein häufig angewandtes Grundprinzip in der Lichtbogentechnik: Je kürzer ein Lichtbogen designt ist, desto schneller und komfortabler kann in der Regel geschweißt werden. Kurze Lichtbögen zeichnen sich vor allem durch einen hohen Lichtbogendruck und eine hohe Energiedichte aus. Bei langen Lichtbögen besteht ein erhöhtes Risiko von Einbrandkerben, Emissionen und Bindefehlern.
Produktentwicklung: Anforderung für Schweißgeräte definieren
Der Lichtbogen steht bei den meisten Schweißarten im Zentrum des Geschehens – so etwa beim WIG-, MIG/MAG- oder beim E-Hand-Schweißen: Lichtbogentechniker sind demnach immer in die Neuentwicklung von entsprechenden Schweißgeräten eingebunden. Sie sind es, die definieren, wie die elektrischen Anforderungen für einen bestimmten Schweißprozess aussehen sollen – und welche Voraussetzungen von Seiten der Hardware und Software dafür nötig sind. Am Ende ist es die Leistungsfähigkeit des Lichtbogens, die wesentlich über den Erfolg eines Lichtbogen-Schweißgeräts am Markt entscheidet.
Strom als Arbeitsinstrument
Seit es Georg Christoph Lichtenberg 1782 gelang, eine Uhrfeder und eine Messerklinge mithilfe von „künstlicher Elektrizität“ miteinander zu verbinden, dreht sich beim Lichtbogenschweißen alles um Strom – mit den zentralen Parametern Stromstärke, Widerstand und Spannung. Beim MIG/MAG-Schweißen ist zudem der Drahtvorschub (bzw. die Geschwindigkeit des Drahtvorschubs) ein entscheidender Faktor.
Diese Hauptparameter sind in modernen Lichtbogenschweißanlagen allerdings bei weitem nicht genug: Mittlerweile haben Lichtbogentechniker Hunderte von verschiedenen Nebenparametern identifiziert, die alle einen Einfluss auf den Lichtbogen haben können.
Algorithmen entwickeln – Lichtbogenschweißen „intelligent“ machen
Es ist wie in fast allen anspruchsvollen technischen Berufen: Ein wesentlicher Teil der Arbeit von Lichtbogentechnikern findet heute vor dem PC statt. Um die wesentlichen Parameter und Faktoren miteinander in Beziehung zu setzen, die Einfluss auf den Lichtbogen haben, entwickeln Lichtbogentechniker die entsprechenden Algorithmen. Und sie arbeiten laufend an deren Optimierung.
In den Algorithmen sind Steuerung und Regelung der Schweißprozesse abgebildet. Anders ausgedrückt: Es sind die Algorithmen, die Schweißprozesse und Schweißgeräte „intelligent“ machen. Eingebettet sind die Algorithmen in die allgemeine Software der Schweißgeräte, die ihrerseits in enger Abstimmung mit Lichtbogentechnikern weiterentwickelt wird.
Schweißprogramme für maximale Benutzerfreundlichkeit
Die Schweiß-Algorithmen bilden die Grundlage für die Entwicklung von Schweißkennlinien bzw. von Schweißprogrammen. Es sind die von den Lichtbogentechnikern entwickelten Schweißprogramme, die entscheidend zur Nutzerfreundlichkeit von modernen Schweißgeräten im Arbeitsalltag beitragen: Mithilfe der Schweißprogramme lassen sich verschiedenste Materialien und Zusatzwerkstoffe anwenderfreundlich miteinander verschweißen: Der Schweißer muss dabei nicht über die speziellen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Parametern und Einflussgrößen im Detail Bescheid wissen. Einige Auswahlschritte und das Einstellen des richtigen Schweißprogramms an seinem Gerät genügen – und er kann losschweißen.
Die Grenzen der PC-Arbeit
Namhafte Hersteller bieten in ihren Geräten mittlerweile Hunderte solcher Schweißprogramme an. Gebräuchliche Standard-Werkstoffe sind dadurch weitgehend abgedeckt. Ein wesentlicher Teil des Arbeitsalltags von Lichtbogentechnikern besteht deshalb heute im Entwickeln von Schweißkennlinien bzw. -programmen für außergewöhnlichere Material- und Schutzgaskombinationen.
Hier hat auch die Arbeit am PC für die Lichtbogentechniker ihre Grenzen: Neue Schweißprogramme werden im Lichtbogenlabor unter Praxis-Bedingungen entwickelt und getestet. Handschweißen und der Einsatz von Schweißrobotern gehören damit zum Arbeitsalltag der meisten Lichtbogentechniker.
Testen bis zum optimalen Ergebnis
In der Regel nennen Kunden die speziellen Werkstoffe und Schutzgase, für die ein neues Schweißprogramm entwickelt werden soll. Lichtbogentechniker nutzen in ihrer täglichen Arbeit ihre Erfahrungen mit bestehenden Schweißkennlinien. Bis ein neues Schweißprogramm gefunden ist, sind mitunter mehrere Schweiß-Versuche unter realen Bedingungen nötig. Der Algorithmus, das darauf aufbauende Schweißprogramm und der Lichtbogen mögen perfekt sein – aber letztendlich zählt immer das Ergebnis am geschweißten Material.
Arbeitsplatz: eigenes Lichtbogenlabor
Lichtbogentechniker arbeiten weitgehend eigenständig, in der Praxis steht den meisten von ihnen ein eigenes Labor zur Verfügung – etwa um Versuche mit neu entwickelten Schweißprogrammen ungestört durchführen zu können bzw. beim Schweißen niemanden anderen zu stören oder zu gefährden. Die Basis-Ausstattung eines Lichtbogenlabors umfasst neben Geräten zum Handschweißen und Schweißrobotern vor allem Messinstrumente: Ein zentrales Arbeitsinstrument jedes Lichtbogentechnikers ist das Oszilloskop, das verschiedene Spannungen und Ströme sowie Drahtvorschübe messbar macht.
Schlüsselfrage: Was passiert in einem Lichtbogen wirklich?
Die Frage „Was passiert in einem Lichtbogen wirklich?“ ist entscheidend für die Entwicklung der Lichtbogentechnik. Hochgeschwindigkeitskameras ermöglichen mittels Zeitlupen-Aufnahmen umfassende Einblicke in die oft nur Millisekunden dauernden Prozesse, die während des Schweißens im Inneren eines Lichtbogens vor sich gehen.
Die Einführung von Hochgeschwindigkeitskameras – und die daraus gewonnenen Erkenntnisse – waren die Voraussetzungen für maßgebliche Entwicklungen in der Schweißtechnologie der vergangenen Jahre: etwa der reversierende Drahtvorschub für den Schweißprozess „CMT“, Neuerungen im Tropfenübergang des Impulslichtbogens, aber auch bei Laserprozessen oder Innovationen im Zusammenhang von Plasma- oder WIG-Lichtbögen.
Heute setzen Lichtbogentechniker Hochgeschwindigkeitskameras bei vielfältigsten Aufgaben im Zusammenhang mit Produktentwicklungen und dem Lichtbogendesign ein.
Anforderungen an Lichtbogentechniker: Forscherdrang und der Wille zur Optimierung
Stellt sich am Ende noch die Frage, was einen guten Lichtbogentechniker ausmacht. Kurzum: Sie sollten auf jeden Fall ein Grundverständnis von Elektrotechnik, physikalische Kenntnisse, ein gutes technisch-mathematisches Verständnis und natürlich einen gewissen Bezug zum Schweißen mitbringen.
„Lichtbogentechniker brauchen neben der Faszination für die Technik auf jeden Fall einen gewissen Forscherdrang: Um Schweißprozesse zu perfektionieren und um deren Anwendung möglichst einfach zu gestalten“, betont Josef Artelsmair, langjähriger Leiter der Lichtbogentechnik bei Fronius und maßgeblich beteiligt an Entwicklungen wie der CMT-Technologie.
Die meisten Mitarbeiter im Lichtbogen-Team von Fronius sind ausgebildete Elektrotechniker und Mechatroniker, dazu kommen Schweißtechniker, die Praxiswissen in das Team einbringen. Viele haben ihre Karriere mit einer Lehre bei Fronius gestartet.
„Schweißen ist in weiten Bereichen eine Gefühlssache, und der Faktor Mensch spielt immer noch eine große Rolle – genau das macht für mich die Arbeit als Lichtbogentechniker so interessant und spannend“, meint dazu Dominik Söllinger, heute Leiter des Lichtbogenteams bei Fronius, abschließend.
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